read the artist statement: English / Deutsch / Italiano / Français

Kreative Wiedergeburt von Olav Münzberg

Diktaturen und deren konkrete politische Ausprägungen von Unterdrückung führen bei der Bevölkerung, die ihnen unterliegt, zu gestuften Formen von Traumatisierungen.

Künstler in uhrer Sensibilität leiden darunter in besonderer Weise, und es braucht Jahre oder Jahrzehnte, um sich von psychischen und psychischen Verwundungen zu befreien.

Mancher trägt daran sein Leben lang.

Ivor Sias, durchlebte in Südafrika als Schwarzer die Schrecken der Apartheid. Er entrann ihr, indem er 1987 als Stipendiat nach Perugia/Italien ging und von 1988 – 1992 in Florenz an der dortigen Akademie Malerei studierte.

Die bisherigen Phasen seiner Malerei lassen sich u.a. als Ausdruck einer Geschichte der Befreiung von Gegenstandsbesetzungen und Traumatisierung beschreiben.

1989 malte er das Bild „Abendmal“, eine ungegenständliche, moderne Version.

Ein in den Farben Bewegungen der gewählten Formen unruhige Darstellung, in der es ihm, wie er sagt, um die Auseinandersetzung mit dem Motiv des Verrates geht. Auf die Frage, warum er dieses Thema gewählt habe, antwortete er: „In Südafrika wurde Leben gegeben und Leben genommen. Südafrika ist ein religiöses Land. Feuerbrunst, Zerstörung, schwarze Balkenreste assoziiert das Bild „Erinnerungsfragment“ von 1990, zum Teil Besetzung mit politischen Gegenständen und deren Verarbeitung in religiöser Form taucht 1990 in „Brennendes Zuhause“ und „Altar“ , in zwei Bleistiftzeichnungen auf. Bei ersterem verweist er auf die willkürlichen Festnahmen ohne Begründung, bei letzerem auf die viele Kerzen, die vor Altären von der Bevölkerung bei Auseinandersetzungen als Symbole friedlicher Auseinandersetzung und des Widerstandes entzündet wurden. In beiden Blättern werden Brandspuren als zusätzliche Ausdrucksträger verwandt. Andere Blätter verweisen auf die Gewalt zwischen Weißen und Schwarzen und den Schwarzer untereinander.

Obwohl er in Florenz lebte, konnte er sich von unmittelbar pokitischen Themen nicht befreien.

Erst 1993 in Berlin begann er mit Landschaftsdarstellungen. Aber nicht die Natur in und außerhalb Berlins wurden nun zum Thema, sondern die Toskana. Sias malte jetzt erst einmal ein Jahr gleichsam als Tribut und Hommage, aber auch um von Florenz Abstand zu gewinnen, Toskanabilder aus der Erinnerung, bevor er zu Berlindarstellungen überging. Erst in Berlin auch wechselte er seine Farbpalette.

Aus den schweren. Dunklen, zugleich Konflikte wiederspiegelnden werden erstmals helle und leichte. Die Toskana wächst vor unseren Augen als grün und gelb leuchtende Landschaft, in der die Zypressen nichts von Trauer an sich tragen. Im Gegenteil.

Aus ästhetischen Gründen und ersten Ansätzen von Lust werden zusätzlich gelb leuchtende Windhosen in die Landschaft plaziert, die sich ablösende, frühere Belastungen auf ihre Weise hinwegtragen.

In den Berliner Landschaftsbildern, seit 1994, setzt sich Sias, wie er sagt, „mit der grünen Seite von Berlin“ aber ohne die Schwere und Symbolik Böcklins, in „Wald und Brücke“ , einem Herbstbild, als hellerer Leistikow. In „Gelbe Landschaft“ verschärft er mit einem zusätzlich hingetragenen braunen Längsstreifen die Frage nach der Wirklichkeit. In den Bildern „Waldgeflüster“, „Blick aus dem Atelier“, „Blick auf den Hof“ wird seine Palette immer duftender, heller und verspielter. Sias verwandelt Berliner Hinterhöfe da und dort unter der Hand in subtropische Landschaften. Das mag manchem übermütig erscheinen, aber das ist Ausdruck seiner neuen Freiheit und Lebenslust. Er sagt, „In Kapstadt sah man alles mit politischen Augen. Hier in Berlin genieße ich zum ersten Mal wieder das Leben. Und dies gelingt mir über meine Bilder. In ihnen kehre ich zugleich in meine Kindheit zurück.“

Sicher. Sias experimentiert noch. Aber Berlin wird für ihn nach einer Phase der Abarbeitung politischer Gegenstände und Belastungen in Italien zu einem Ort kreativer Wiedergeburt. Hier schafft er eine Harmonie. Und er schafft sie, weil es ihm nicht um Beherrschung der Natur geht, sondern weil er sich mit ihr verbündet.

Olav Münzberg